Störungen, Unterbrechungen, Ablenkungen.

In unserem beruflichen Alltag haben wir gerade mal drei Minuten Zeit, bevor Telefon, eMails oder Kollegen „in persona“ uns aus der Arbeit holen.

Und wenn wir nicht von außen gestört werden, stören wir uns eben selbst:

  • 63 mal pro Tag schauen einige von uns auf Handy.
  • Alle 18 Minuten werfen wir einen Blick in die Postings der Sozialen Medien.

Dummerweise benötigen wir rund 64 Sekunden, um nach dem Lesen einer Mail wieder zurück zur Arbeit zu finden.

Produktivität? Fehlanzeige!

Ja, wir glauben häufig, dass wir ach so produktiv und erfolgreich sind, wenn wir jederzeit auf das anspringen, was gerade kommt.

Doch wir lügen uns in die eigene Tasche.

Denn vor lauter Ad-hoc-Aktionen verlieren wir aus den Augen, was uns wirklich wichtig ist.

Was uns wirklich voranbringt.

Was uns wirklich am Herzen liegt.

Aus diesem Grund sind mir und vielen Menschen rund um den Globus die sogenannten „Fokuszeiten“ (Deep-Work-Phasen) ans Herz gewachsen. >> Mehr zu diesem Thema erfährst Du hier.

Tipp: Dieser Beitrag basiert auf Buchkapitel #2 aus „Lass Mal Alles Aus – Wie Du wirklich abschalten lernst“.

Abschalten lernen: "Lass Mal Alles Aus!"

In diesem BLOG-Beitrag betrachten wir allerdings mal ganz besonders die Störungen, die aus uns selbst kommen. Und die uns Handy & Co. beschert haben.

Du erfährst, warum unsere digitalen Gadgets sich zu echten Sklavenfesseln entwickelt haben und bekommst 10 handfeste Tipps, die Du (wieder) die Hoheit über Smartphone & Co. erhalten kannst.

Digital Detox – vor 100 Jahren pure Science fiction

Jederzeit „on“ sein zu können, ist ein Phänomen, das unsere Ur-Großeltern sich nicht mal in ihren kühnsten Träumen hätten ausmalen können. Sie waren Anfang des 1900 Jahrhunderts ja nur in persona oder via Brief für andere Menschen ansprechbar. Wenig später kam das Telefon, ein synchrones Medium, das erforderte, dass beide Gesprächspartner gleichzeitig ansprechbar sind. Waren Oma und Opa im Gespräch, hörten die anderen ein „besetzt“.

In den 1990ger-Jahren eroberten Computer und eMails die Welt. Plötzlich flitzen Anfragen in Sekundenschnelle um den Globus, und die Ungeduld der Absender auf Antwort stieg. Ergo stieg der Druck auf den Empfänger bitte „asap“ („as soon as possible“ – also bitte sofort!) zu reagieren. Die innere Alarm-Bereitschaft wuchs. Und dann wurde es mobil. Mit Pagern, die wir am Gürtel trugen, und schließlich mit dem Siegeszug der Handys gaben es viele Menschen aus der Hand, wann sie erreichbar sein wollten und wann nicht. Fasziniert von den neuen Möglichkeiten fanden es viele „cool“ ständig ansprechbar zu sein. Und legten damit den Grundstein, wie sehr wir jetzt im Stand-by-Modus sind.

Heute kommunizieren wir asynchron, wir müssen nicht mehr gleichzeitig „on“ sein, um uns auszutauschen. Mit dem Ergebnis dass minütlich Mails, Instant Messages, Voicemail-Nachrichten, Chats über uns hereinbrechen. Ständig kannst Du irgendwo etwas beantworten und der Zufluss reißt nicht ab. Das Handy als Tor zur Welt zertrümmert den Tag in tausend Fragmente.

Digitale Dauerdröhnung – die Folgen

Zunehmend berichten Wissenschaftler von Erschöpfungszuständen, Angst-Attacken und Depressionen – entstanden aufgrund des munteren Treibens in der Digitalen Welt. „Wenn mein Handy blinkt bekomme ich Herzrasen“, berichtet eine junge Frau. „Ständig gibt es neue Push-Nachrichten. Und immer ist der Druck da, antworten zu müssen. Es sind schon etliche Streitereien entstanden, wenn man mal nicht direkt geantwortet hat,“ erzählt eine andere. Und selbst die 14- bis 34-jährigen, die mit den digitalen Medien aufgewachsen sind, berichten von einem hohen Druck. 36 Prozent fühlen sich gestresst. (Quelle: Lass Mal Alles Aus, S. 57).

Aber nicht nur unser Stress-Pegel steigt. Nein auch echte körperliche Beschwerden nehmen zu: Begriffe wie Handy-Nacken oder WhatsApp-Daumen sind heute in der Medizin geläufig und gezielte Übungen können uns helfen, diese Schmerzen zu bewältigen.

Digital Detox: Sind Verbote eine Lösung?

Obwohl wir wissen, wie ausufernd und wie schädlich unser Handy-Konsum mittlerweile ist, scheuen sich viele Arbeitgeber allerdings davor, Handy-Verbote auszusprechen, oder andere digitale Ablenkungen zu unterbinden. Sie haben Angst, die Mitarbeiter würden sich kontrolliert fühlen, und sich über mangelndes Vertrauen beklagen.

Das finde ich nett – aber auf der anderen Seite bestehlen wir unsere Arbeitgeber, wenn wir privat am Mobiltelefon hängen oder surfen. Denn wer hängt die verdaddelte Arbeitszeit schon wirklich hinten an? Das ist ähnlich wie in der Raucher-Nichtraucher-Diskussion: müssen Raucher ihre Rauchpausen nacharbeiten oder nicht? Ein japanisches Unternehmer hat da eine ganz pragmatische Lösung gefunden: Nichtraucher erhalten sechs Tage mehr Urlaub als die Raucher.

Ja, so geht es auch.

Smartphone & Co. – ein Plädoyer für einen souveränen Umgang

Ich glaube nicht, dass uns Verbote helfen werden. Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir unseren Umgang mit den „neuen“ Kommunikations-Kanälen lernen. Wir haben mit Internet, Smartphone & Co. ganz wunderbare Hilfsmittel für einen engen Austausch rund um den Globus erhalten. Nur leider haben wir nie gelernt, damit umzugehen. Ich plädiere dafür, dass Fächer wie „Deep Work: störungsfreies Arbeiten“ oder „Digital Detox“ in den Stundenplan der Schulen aufgenommen wird.

Braucht es dazu Gesetze, wie derzeit andiskutiert? Nun, wenn die Schulen eigeninitiativ ihre Schülerinnen und Schüler zu einem gesunden und verantwortungsbewussten Umgang erziehen kann, dann nein. Wenn allerdings Eltern ein Smartphone-Verbot während der Unterrichtszeit boykottieren, weil ihr Kind einfach immer erreichbar sein müsse, dann kann ein Gesetz durchaus eine Marschrichtung vorgeben.

Digital Detox: Null-Diät ist nicht das Ziel

Wichtig: es geht überhaupt nicht darum, Smartphones, Tablets & Co. prinzipiell zu verteufeln. Denn in diesen kleinen Wundergeräten steckt viel Potential uns das Leben zu erleichtern. Auf kleinstem Raum liegt uns die Welt zu Füssen, viele Dienstleistungen machen ein Smartphone auch notwendig (Deine Bank schickt eine Push-TAN für eine Überweisung) oder digitale Fahrkarten, Eintritts-Tickets und eBooks werden unserem Wunsch nach einem papierlosen Leben und einer nachhaltigen und minimalistischen Lebensweise gerecht. Wer sich den „neuen“ Medien verweigert, der wird irgendwann komplett den Anschluss verloren haben, und viele Dinge nicht mehr erleben und erledigen können. Oder teuer für „analoge Hilfe“ bezahlen.

Vor kurzem habe ich den App-Kurs „Schluss mit digitalem Stress“ produziert. Hier lernen die Teilnehmer in acht Einheiten raus zu kommen aus dem ständig „on“ und rein zu kommen in ein entspanntes Abschalten. Dieser App-Kurs ist nicht einzeln käuflich zu erwerben, er ist Bestandteil einer umfangreichen Firmenlizenz. Aber wir dürfen ihn den TeilnehmerInnen des Online-Kurses „Mehr Zeit für mich“ schenken. Also gerne gleich Kurs buchen und App als Geschenk erhalten.

Digital Detox - der App-Kurs in 8 Einheiten

Ausschlaggebend für all Deine weiteren Schritte ist, dass Du Dich nicht zum Sklaven Deiner technischen Geräte machst, sondern ganz bewusst bestimmst, wann Du „on“ sein willst, und wann eben nicht. Mein Aufruf „Lass Mal Alles Aus!“ bedeutet ja nicht, dass Du offline gehen musst. Nein, ich will Dich dabei unterstützen, dass Du offline gehen kannst – wenn der Impuls aus Dir selbst kommt und Du Dich fragst: wie schaffe ich das? Deine Nutzung also komplett auf „0“ zu bringen, ist nicht das Ziel.

Eine „digitale Diät“ ist ein prima Weg zum selbstbestimmten „off“. Wobei „Diät“ nicht heißt „von 100 auf 0“. Bei einer echten Essens-Diät haben die meisten Menschen ja jetzt auch endlich begriffen, dass wir nicht dünner werden, wenn wir gar nichts mehr essen oder mit 14-Tage-Saft-Kuren hungern. Nein, langfristig haben wir Erfolg, wenn wir unser Essen umstellen und mit viel Genuss einfach weniger Kalorien zuführen, als wir verbrennen.

Viel eher handelt sich um eine „Detox-Kur“, eine Entgiftungkur, mit der Du die schleichende Vergiftung Deines Körpers und Deines Geistes wieder zurückfährst. Eine Kur mit der Du wegkommen kannst vom mobilen Hochleistungsvirtuosentum via Smartphone und Laptop. Du bestimmst Dein „Ausgangsgewicht“, indem Du Dein Online-Verhalten ermittelst, indem Du anschließend selbst-kritisch-liebevoll Deinen derzeitigen Konsum bewertest und indem Du festlegst, wieviel „on“ Du künftig sein willst.

Knechte Dich nicht mit tagelangen Abstinenzen. Denn ähnlich wie bei einer Null-Essens-Diät konnten bereits bei Teilnehmern von „Digitalen Off-Kuren“ Rückfälle beobachtet werden, bei denen diese nach der Kur mehr on waren als je zuvor. Bei unserem Gewicht kennen wir das als Jojo-Effekt. Tu Dir so einen Blödsinn nicht an!

Digital Detox: Was Unternehmen tun, um Ablenkung zu vermeiden

Viele Unternehmen haben bereits erkannt, wie krank und unproduktiv uns die ständige Erreichbarkeit macht und steuern dagegen. Sie richten Email-freie Freitage ein oder werden in puncto „Erreichbarkeit in der Freizeit“ aktiv. Zum Schutz der Mitarbeiter erlassen sie Erreichbarkeits-Regeln. Sie fördern „Digital Detox“ und begrenzen die Zustellung von Mails nach Feierabend gleich komplett, indem sie radikal nachts oder an den Wochenenden den Firmen-Email-Server abschalten.

Hier ein paar Praxis-Beispiele gegen ständige Erreichbarkeit:

  • Volkswagen verhängte 2011 eine strikte E-Mail-Sperre nach Feierabend für Tarifbeschäftigte mit einem Dienst-Smartphone. Die Geräte von VW-Mitarbeitern können seitdem von 18.15 Uhr bis 7 Uhr morgens keine Mails mehr empfangen.
  • Mitarbeiter des Autobauers Daimler können seit 2013 E-Mails während ihrer Abwesenheit automatisch löschen lassen. Der Betriebsrat hat die Regelung zusammen mit der Unternehmensleitung verabschiedet. Über die Löschung informiert der Abwesenheits-Assistent („Vielen Dank für Ihre Mail, die mich in meiner Urlaubszeit erreicht. Bitte beachten Sie, dass Ihre Mail deshalb gelöscht wird. Sollte es etwas Wichtiges sein, dann mailen Sie mir bitte nach dem 23. März Ihr Schreiben erneut.“)
  • Unsere französischen Nachbarn haben ein Gesetz verabschiedet, das die ständige Erreichbarkeit unterbinden soll. Die Regelung des Artikels 55 zur „Wahrung von Ruhezeiten, Urlaub und dem beruflichen wie familiären Leben“ betrifft in erster Linie Unternehmen mit über 50 Angestellten.

Digital Detox: Klare Absprachen helfen

Wie erreichbar „musst“ Du sein? Häufig glauben wir, dass unsere Arbeitgeber, Kollegen oder Bekannten erwarten, dass wir permanent erreichbar sind. Wir wissen es aber nicht. 38 Prozent der Teilnehmer einer Studie der Uni Freiburg wussten beispielsweise nicht, ob ihr Chef außerhalb der Arbeitszeiten eine Reaktion auf arbeitsbezogene Anrufe, Mails oder Kurznachrichten erwarte. Resultat: sie waren immer „on“, um nichts zu verpassen.

Der Ausweg: Besprecht ganz klar, wer wann für was erreichbar sein muss. Besonders wenn Ihr momentan oder auf Dauer virtuell zusammen arbeitet, beispielsweise im Homeoffice. Und dann entspanne Dich!

Du glaubst berufliche Rückfragen in Deiner Freizeit stressen Sie nicht? Die Freiburger Studie zeigte, dass selbst kurze Fragen an einem Sonntag-Nachmittag die Zufriedenheit mit dem Wochenende spürbar senkte. Bei mir kommt noch erschwerend hinzu, dass ich nach negativen Mails oder Messages mit einem To-Do für mich gedanklich nicht mehr abschalten kann. Die Erholung ist gelaufen!

Digital Detox: So machst Du es konkret

  • Schritt #1: Verschaffe Dir einen Überblick über die tatsächliche Nutzungsdauer Deiner digitalen Gadgets. Nutze eine Tracking-App, die genau mitschreibt, wann Du was am Handy machst. Viele Smartphones haben einen Tracker mittlerweile sogar standardmäßig als Software fest mit im System.

  • Schritt #2: Lege fest, wieviel Zeit Du ab sofort „on“ verbringen willst.

  • Schritt #3: Lege fest, zu welchen Zeiten Du „on“ sein willst – und wann nicht. (z.B. vor 6 Uhr, nach 20 Uhr……).

  • Schritt #4: Teile Deine „On“-Zeiten Deinen Freunden, Familie, Kollegen….mit. Mache also klar, wann Du erreichbar bist – und wann die anderen sich eben gedulden müssen, bis Du antwortest.

  • Schritt #5: Lege beispielsweise auch Orte fest, die ab sofort „Detox“-Zone für Dich sein sollen (z.B. Schlafzimmer, Esstisch……).

  • Schritt #6: Du hast Bedenken, dass Du schwach wirst? Dann nutze Apps wie „Forest“ um Deinen „Off“-Willen zu unterstützen. Diese kleine App hilft auf spielerische Weise, das Handy einfach mal liegen zu lassen. Du gibst ein, wie lange Du bei welcher App abstinent sein willst (z.B. 2 Stunden kein Instagram). Wenn Du es schaffst, dann wächst ein kleiner Baum in einem virtuellen Wald. Schaffst Du es nicht, dann bleibt eine Baum-Ruine stehen 🙁 In der Kaufversion kannst Du sogar die Punkte sammeln und einen echten Baum pflanzen lassen. Wer es eine Nummer härter will, der kann zu „Freedom“ greifen. Da kommst Du unter keinen Umständen an die Apps, die Du gerade für eine Zeit gesperrt hast.

  • Schritt #7: Deinstalliere alle Apps, die Dir wertvolle Lebenszeit stehlen. Und auf die Du – Hand aufs Herz – wirklich verzichten kannst.

  • Schritt #8: Mach Dir klar, dass die meisten Apps und Websiten heutzutage so aufgebaut sind, dass eine Art „Sucht“ entsteht. Sei es, weil uns immer neuer Content vorgschlagen wird (z.B. Youtube, Netflix) oder weil wir sehen, dass ein anderer gerade online ist (z.B. Whatsapp: „Cordula schreibt….“). Die MAcher wissen ganz genau, wie sie uns antriggern können, um „on“ zu bleiben – lass Dich also nicht manipulieren!

  • Schritt #9: Du hast Angst vor Entzugserscheinungen? Dann kaufe Dir ein „No-Phone“ – das ist ein schwarzer Plastikblock in Smartphone-Form, der vielen Handysüchtigen den Ausstieg erleichtert hat.

  • Schritt #10: Freue Dich über jede Minute und Stunde, in der DU souverän über Deine digitalen Gadgets verfügt hast. Nutze die genialen Vorteile der digitalen Welt – zu DEINEN Bedingungen!

Was ist Deine Erfahrung mit Digital Detox? Was tust Du, um souverän mit Smartphone & Co. umzugehen? Ich freue mich auf Eure Erfahrungen – oder auch gerne Fragen zu diesem Thema als Kommentar unter diesem Beitrag.