Paul Johannes Baumgartner lernte ich bei einem Kongress in Zürich kennen, bei dem er die Teilnehmer richtig begeistert hat. Zu diesem Zeitpunkt war sein Buch „Begeistere und gewinne“ gerade auf der verlagsinternen Zielgeraden. Grund genug ihn nach den besten Tipps für einen perfekten und begeisternden Auftritt zu fragen.

? Paul, viele kennen den Spruch „Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance“. Ziemlich kleines Zeitfenster also, wenn ich mein Gegenüber begeistern will.

Paul Johannes Baumgartner: Ja, wir haben im Leben realistisch betrachtet in den seltensten Fällen die Chance für einen weiteren Eindruck, weil es zum bequemen Volkssport geworden ist, Menschen in Stereotypen zu unterteilen und sofort in eine Schublade zu stecken. Was ich sage, ist – frei nach Kant: Haben wir doch den Mut, unseren Verstand zu benutzen! Wenn ich als aufgeschlossener Mensch wahrgenommen werden und Andere gewinnen möchte, macht es dann Sinn, die Menschen, die ich kennenlerne, aufgrund ihres ersten, vielleicht nicht ganz optimalen Eindrucks, zu katalogisieren? Wenn er nicht so aussieht, wie ich es mir in meiner beschränkten Wahrnehmung wünsche – wie gehe ich dann auf ihn zu? Wie behandle ich ihn? Als Freund? Als Fremder? Ich lege es jedem Menschen ans Herz, die Schublade erstmal schön offen zu halten und sich Gedanken darüber zu machen, ob es wirklich nötig ist, binnen einer Zeitspanne, die so lange dauert wie die Zündung eines Airbags, nämlich 150 Millisekunden, über sein Gegenüber zu richten.

? Was passiert in den ersten 4 Minuten eines persönlichen Aufeinandertreffens?

In der ersten Sekunde ordnen wir Personen, denen wir zum ersten Mal begegnen, in ein grobes Raster ein. Die ersten Kriterien: Ist uns der andere vom Sehen bekannt oder unbekannt, sympathisch oder unsympathisch, ist er männlich oder weiblich, alt oder jung, interessant oder langweilig.

Nach einer halben Minute festigt sich unsere erste grobe Bewertung, die abhängig ist vom äußeren Erscheinungsbild, der Körpersprache und der Stimme. Je nachdem, ob der andere den Sympathie-Check besteht oder nicht, legen wir schon fest, ob wir die Person gern näher kennenlernen möchten. Innerhalb der ersten vier Minuten haben wir dann die Chance, unseren Eindruck zu vertiefen und beginnen bei Interesse ein Gespräch oder – wenn das nicht möglich ist – beobachten die Person aus einiger Distanz, um uns auf diese Weise ein genaueres Bild zu machen. Worauf achten wir beim ersten Gespräch? Am wenigsten auf das Was, also zum Beispiel auf Gesprächsinhalte etc., sondern fast ausschließlich auf das Wie. Ist die Person locker oder verkrampft? Tolerant oder rechthaberisch? Gibt sie sich offen oder hält sie sich bedeckt?

Das Erstaunliche daran: Nach vier Minuten glauben wir schließlich, einen bislang Fremden zuverlässig einschätzen zu können und entscheiden danach, ob jemand „eine Chance bei uns hat“ oder nicht – egal, ob im Privatleben oder im Job. Auch dieser Check läuft übrigens komplett in unserem Unterbewusstsein ab. Das heißt, wir können immer noch nicht genau erklären, warum uns jemand spontan sympathisch oder unsympathisch ist. Unser Unterbewusstsein hat gnadenlos darüber entschieden – ganz ohne uns zu fragen, ob es so irrational und möglicherweise vorurteilsbehaftet urteilen darf.

„Ein Radiomoderator spricht mit exakt einem Menschen und der Rest hört zu.“ (Paul Johannes Baumgartner)

? Du schlägst in Deinem Buch den Bogen zwischen persönlicher Kommunikation und der Situation, in der wir vor Publikum eine Rede halten. Was haben beide Situationen gemein, welchen roten Faden können wir für beide Situationen für uns mitnehmen?

Beide Situationen sind nahezu identisch. Nehmen wir mal eine Radiomoderation. Das ist ja nichts anderes als eine Präsentation oder eine Rede. Viele glauben, ein Radiomoderator richtet sich in seiner Ansprache an viele Menschen. Das tut er aber nicht. Er spricht mit exakt einem Menschen und der Rest hört zu. Ein klassischer Fall von one-to-one-Kommunikation. Bei einer Rede oder Präsentation machen viele den Fehler und sprechen nach dem Prinzip „Ihr da unten, ich hier auf der Bühne“. Ein Riesenfehler. Egal ob Präsentation oder persönliche Kommunikation – sie wenden sich immer nur an einen einzigen Menschen und holen dessen nonverbale Signale ab. Sind – wie es beim Sprechen vor Publikum der Fall ist – mehrere Menschen anwesend, picken wir uns am besten einen Zuhörer raus, den wir ansprechen und der Rest hört zu. Dann wenden wir uns dem nächsten Zuhörer zu und der Rest hört wieder zu.

Zwei Tipps am Rande: Was sich immer wieder anbietet, ist – auch wenn das Lampenfieber in der Wade brennt: Lächeln. Mit einem Lächeln öffnet Ihr Euer Gegenüber und er ist bereit, mehr von sich zu geben. Was Ihr bitte nicht tut zu Beginn einer Rede: „Ich bin total aufgeregt“. Muss ja nicht gleich jeder wissen.

? In einem Vortrag liegt zwischen Weinen und Lachen nur der tiefe Ozean der Langeweile. Hast Du schon mal als Moderator oder Speaker Deine Zuhörer gelangweilt und Dich danach gigantisch über Dich selbst geärgert?

Das ist das Schöne am Radio: Man sieht nicht, wenn einer gähnt. Ich bin mir  aber in einem spontanen Anfall von Selbstreflexion sicher, dass ich schon Geschichten und Themen in meinen Radiosendungen hatte, die nicht gerade Begeisterungsstürme bei den Zuhörern ausgelöst haben. Das spürt man manchmal leider erst hinterher oder man bekommt nach der Sendung das Feedback und beisst sich dann selbstredend in den Allerwertesten. Auf der Bühne hoffe ich, habe ich noch niemanden gelangweilt und konnte auch nicht feststellen, dass Zuhörer paarweise den Saal verlassen haben. Das Gute als Speaker vor real existierendem und sichtbaren Publikum ist ja: Man merkt sehr schnell, wenn eine Dynamikdelle entsteht und kann dann entsprechend korrigierend eingreifen und die Zügel wieder anziehen.

? Für einen positiven ersten Eindruck ist die Stimme maßgeblich. Gerade bei Dir im Radio ist das ja auch der einzige Eindruck, den wir von Dir bekommen. Welchen Tipp gibst Du uns Stimm-Laien, um angenehm zu klingen und gut anzukommen?

Je entspannter Ihr seid, desto besser klingt Eure Stimme. Erlernt die Zwerchfellatmung, tretet ein in die Fraktion der Relaxten, und wenn Ihr den letzten Hauch Extraklasse bekommen wollt, freue ich mich, Euch im Seminar begrüßen zu dürfen. Und: räuspert Euch nicht, das macht nur die Stimmbänder kaputt.

? Kreative Chaoten sind ja sehr vielseitig und lieben es in mehreren Themen zu Hause zu sein. Du bist auch sehr vielseitig, als Journalist, als Moderator bei Antenne Bayern, als Trainer und Redner. Wo helfen Dir die Stärken des „Kreativen Chaoten“ am besten?

In erster Instanz freue ich mich, als Kreativer Chaot gesehen zu werden und in zweiter Instanz schreibe ich dieser Spezies Ideenreichtum zu, die Fähigkeit, Sachverhalte aus mehreren Blickwinkeln betrachten zu wollen und mit Emotionen andere Menschen begeistern zu können. In der Regel sind Kreative Chaoten an zwischenmenschlichen Beziehungen auch im Berufsleben interessiert  und sie legen oftmals eine erstaunliche Fähigkeit an den Tag, verwundbar offen auf andere Menschen zugehen zu können.

? Paul, herzlichen Dank für das Gespräch.

Gerne!

Frisch hervorgeholt – Das Interview führte ich mit Paul Johannes Baumgartner im Juni 2009.