Leo Martin hat als Agent zehn Jahre lang V-Männer – Verbindungs- oder vielmehr Vertrauensmänner – angeworben. Dabei hat er gelernt, wie man andere Menschen dazu bringen kann, einem zu vertrauen und sie von seinen eigenen Zielen zu überzeugen. Als wir uns vor rund drei Jahren kennenlernten, gab er dieses Wissen bereits in Vorträgen und Seminaren über die Geheimwaffen Vertrauen und Kommunikation weiter. Nun hat er seine Erfahrungen seinem Buch „Ich krieg Dich! Menschen für sich gewinnen“ aufgeschrieben. An einem trüben März-Freitag-Mittag schafften wir es ein Telefon-Interview zu machen.

Leo, in Deinem Buch geht es darum, andere Menschen zu „kriegen“. Allerdings ist es kein Partnerschaftsbuch, sondern handelt davon, wie wir Vertrauen zu anderen Menschen aufbauen und Beziehungen herstellen können. Was sind Deine Kernthesen?
Im Großen und Ganzen geht es um das Thema Einstellung. Wenn ich das Vertrauen eines anderen Menschen gewinnen möchte, muss ich zunächst einmal bei mir selbst beginnen. Was für eine Art von Beziehung möchte ich grundsätzlich mit Menschen eingehen? Was soll der andere später über mich sagen und denken.

Kann man das in verschiedene Herangehensweisen unterteilen? Wählst Du je nach Typ ein bestimmtes Vorgehen?
Ich unterscheide nicht nach Typen, weil ich mich auf die allgemeinen Grundbedürfnisse konzentriere, wenn ich die Wirkhebel setze. Das sind vor allem Sicherheit und Anerkennung. Wenn ich es schaffe, diese beiden Grundbedürfnisse bei meinem Gegenüber anzusprechen, wirke ich attraktiv und anziehend. Der andere beginnt dann, in mich ganz persönlich zu investieren. Da geht es nicht mehr um ein Produkt oder ein Dienstleistung, sondern nur noch um die zwischenmenschliche Beziehung.

Was ist beim Aufbau einer solchen Beziehung im ersten Schritt wichtig?
Zuerst müssen wir eine Grundsatzentscheidung treffen. Ich als Agent muss mir darüber im Klaren sein, wie ich meinen Informanten wahrnehme. Ist er der feige Verräter, ist er das schwächste Glied der Kette, ist er der einzige, bei dem ich eine Chance hatte? Oder sehe ich ihn als das Ohr in der Organisation, den Schlüssel zum Erfolg, als Teil meines Teams? Dann bin ich bereit, für ihn Win-Win-Situationen zu suchen. Dieses Muster können wir auch auf den Alltag übertragen. Wie nehme ich zum Beispiel einen Kunden wahr? Hält er mich mit seinen Sonderwünschen von der Arbeit ab? Interessiert er mich nicht – Hauptsache, das Geld kommt rein? Oder ist er die Grundlage für meinen Job? Dann ist es nämlich meine Aufgabe, seine Probleme zu lösen. Hier kann ich also mit meiner Wahrnehmung eine grundsätzliche Weiche stellen. In meinem Buch biete ich dazu eine ganze Hand voll Ideen, wie so ein Mindset aussehen könnte.

„Mein Gegenüber möchte ein klares Profil von mir haben.“ (Leo Martin)

Ich muss also wirklich zunächst einmal meine eigene Einstellung überprüfen: Wie sehe ich den anderen? Und dann kann ich auf ihn zugehen.
Richtig. Grundsätzlich sind es zwei Schritte. Zuerst ist es wichtig, das Grundbedürfnis nach Sicherheit zu befriedigen. Mein Gegenüber möchte ein klares Profil von mir haben. Für was stehe ich, für was stehe ich nicht, wie weit kann er bei mir gehen? Wenn er mich einschätzen kann, hat er eine klare Grundlage, auf der er Entscheidungen treffen kann. Ohne diese Sicherheit gibt es kein Wohlfühlen und kein Vertrauen. Als zweites muss ich eine positive Basis entwickeln, damit ich mein Gegenüber für meine Ziele und Visionen gewinnen kann. Das funktioniert über die Grundbedürfnisse Respekt und Anerkennung. Dazu muss bei mir eine ernste Bereitschaft vorhanden sein, einen Ausgleich zwischen meinen Interessen und denen des Anderen zu finden. Dazu braucht es Empathie und Einfühlungsvermögen.

Empathie und Einfühlungsvermögen sind Kernkompetenzen der Kreativen Chaoten. Glaubst Du, dass die Kreativen Chaoten dementsprechend schneller bessere Beziehungen aufbauen können?
Ich denke, wer sich über die Bedürfnisse des anderen Gedanken macht, wird schneller eine tragfähige Beziehung aufbauen, als jemand, der nur auf sich fixiert ist. Vor allem langfristig.

Du schreibst in Deinem Buch, dass wir den Beziehungsaufbau akribisch planen sollten. Allerdings liegt das Planen den Kreativen Chaoten gar nicht. Hast Du vielleicht noch einen Tipp, wie jemand vorgehen könnte, der nicht gerne plant oder inwiefern vielleicht sogar Spontaneität von Vorteil sein könnte?
In meinem Buch beschreibe ich Situationen aus dem Agentenleben, die ich auf den Alltag runterbreche. Beim Nachrichtendienst wird akribisch geplant, weil wir schwierigste Ausgangsbedingungen, wenig Zeit und oftmals nur eine einzige Chance haben. Da es wirklich um etwas geht, können wir keine Chance ungenutzt lassen. Deshalb ist dort gute Planung und taktisches Vorgehen notwendig. Im Alltag müssen wir einen anderen Maßstab anlegen. Hier kann das Buch eine Hilfestellung geben, über die ein oder andere Methode nachzudenken, aber dann kommen die Kreativen Chaoten ins Spiel. Je mehr wir unsere Beziehungen aus dem Bauch heraus aufbauen, desto leichter haben wir es im Alltag. Es geht schließlich darum, authentisch zu sein und nicht aufgesetzt oder strategisch zu wirken.

Also gute Nachrichten für uns! Wie schätzt Du Dich selber ein? Glaubst Du, dass Du kreativ-chaotisch veranlagt bist? Oder vielleicht doch eher systematisch-analytisch?
Ich glaube, in dieser Hinsicht habe ich zwei Gesichter. Ich bin ein Strukturmensch und mag logische Erklärungen. Allerdings kann ich mich auch auf mein Bauchgefühl verlassen. Ich würde sagen: alles zu seiner Zeit.

Du arbeitest ja jetzt nicht mehr als Agent. Wo können wir Dich mal live erleben?
Im Moment bin ich überwiegend bei Firmen auf Tagungen und Kongressen. Ich arbeite auch viel mit dem „Unternehmen Erfolg“ zusammen. Das bietet öffentliche Vortragsreihen quer durch Deutschland an und da gibt es auf jeden Fall die Chance, mich live zu erleben.

Leo Martin, vielen Dank für das Gespräch.

> Zum Buch (Neu-Auflage von 2018)

> Mehr Buch-Tipps für Deine Persönlichkeitsentwicklung

Meine Rezension zur 1. Auflage von „Ich krieg Dich!“ von Leo Martin

Agenten. Russische Mafia. V-Männer. Das Buch des Ex-Agenten Leo Martin hat alles Zeug zu einem soliden Krimi. Dabei handelt es sich aber um einen Ratgeber über Beziehungsaufbau. Wie können wir es schaffen, dass uns andere Menschen ihr Vertrauen schenken?

Worauf müssen wir achten, damit wir angenehm auf andere wirken? Martins Tipps sind in eine spannende Geschichte über die Gewinnung eines V-Mannes bei der russischen Mafia eingebettet. Anhand dieser Rahmenhandlung erklärt Martin, worauf es beim Aufbau einer Beziehung ankommt – von der ersten Begegnung bis zum vollkommenen Vertrauen. Besonders interessant sind die Zitate aus den Bänden der Nachrichtendienstpsychologie, mit denen wir mühelos in das Leben eines Agenten eintauchen können – vollkommen ungefährlich, aber sehr lehrreich und informativ.

Fazit: In Leo Martins Buch verschmelzen Krimi und Ratgeber zu einem unterhaltsamen Lehrbuch über die Kunst, andere Menschen für uns zu vereinnahmen. Sicherlich war noch nie ein Ratgeber spannender!

Frisch aufbereitet im Oktober 2018.