Gestern kündigte Bayerns Regierung eine Verlängerung des Shutdowns bis 19. April an. Also noch gut zweieinhalb Wochen heißt es: daheim bleiben, körperlichen Abstand halten zu Fremden und Freunden. Unverständlicherweise dürfen wir jetzt schon nicht mehr alleine (!) auf Parkbänken sitzen oder in der Wiese des Englischen Gartens. Ja, wir dürfen spazieren gehen oder Sport treiben, aber nicht sitzen. Das musste ein Bekannter von mir erleben, der jetzt 150 Euro zahlen soll. Verständlich, dass es nicht hilfreich ist, wenn sich die Menschen an Hotspots ballen – aber frische Luft und Sonne sind jetzt total wichtig, damit wir unser Immunsystem stärken und gesund bleiben. Und wer eben keinen Sport treiben kann, der sollte zumindest in Ruhe sitzen können!

Je mehr Test, desto mehr positive Fälle

Das Agieren der Politiker ist nachvollziehbar. Sie wollen das Beste für ihr Volk, und haben sicherlich Angst, wenn die Dinge aus dem Ruder laufen würden, rückblickend als „tatenlos“ beschimpft zu werden. Politiker, die in der Regel ein starkes Macht-Motiv haben, können jetzt echt was bewegen – oder eben stoppen. Doch Angst darf nicht unser Ratgeber sein! Auch Zahlen dürfen kein Maßstab sein, womöglich übers Ziel hinauszuschießen. Warum die Zahl der positiv getesteten Menschen steigt ist nachvollziehbar: derzeit werden so viele Tests in Deutschland gemacht wie noch nie. Das Ziel sei 200.000 Tests pro Tag, jetzt sind es etwa 60.000 täglich, zeigt ein vertrauliches Strategiepapier der Bundesregierung, das dem Rechercheverbund von „Süddeutscher Zeitung“, NDR und WDR vorliegt. Vor wenigen Wochen haben wir kaum getestet. Logisch, dass die Zahl der positiven Tests steigt, je mehr man testet. Das bringt Licht in die Dunkelziffer – aber ist es wirklich hilfreich? Oder schürt es nur die Angst und Panik der Menschen?

Verzerrtes Bild der Statistik

Noch dazu, wo die „aktuellen“ Zahlen alt sind? Die beiden Söhne von Freunden klagten vor zwei Wochen über Symptome, wurden am Donnerstag, den 19. März getestet, und haben am Freitag, den 27. März (!) ihr Ergebnis erhalten. Da waren sie längst wieder gesund, gingen aber an diesem Freitag in die Statistik ein als „neue Fälle“. Auf Ihre Frage, ob man jetzt nochmals einen Test machen würde, um sie wieder als gesund zu erklären, hieß es, sie sollten einfach noch einen Tag zu Hause bleiben, dann sei alles gut. Ihre Genesung taucht also auch nicht in der Statistik auf! Aber: wie hilfreich sind Zahlen, die hilflose Schätzungen oder verzerrte Abbilder der Wirklichkeit sind?????

Irreführende Schlagzeilen

Und noch mehr ärgert es mich, dass die Medien die Angst der Menschen weiter anheizen. Liest Du die Schlagzeile „Klinikum Wolfsburg verhängt Aufnahmestop“ und siehst ein Bild mit Menschen mit Mundschutz vor der Klinik stehen, welches Bild entsteht in Deinem Kopf? Mein erster Impuls war: HILFE – jetzt sind die Bettenkapazitäten bereits erschöpft! Fakt allerdings ist: Mitarbeiter der Klinik sind erkrankt. Und deshalb musste reagiert werden.

Angst vor der Angst

Risikoforscher wie Gerd Gigernezer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung sehen derzeit viel mehr Risiken aufgrund der steigenden Angst – weil das geballte Auftreten der Fälle unsere Wahrnehmung verzerrt. „Ein Beispiel ist der Straßenverkehr: 2019 sind in Deutschland über 3000 Menschen ums Leben gekommen, genauso viele wie bislang durch das Coronavirus auf der gesamten Erde. Doch hierzulande hat auf den Autobahnen kaum jemand Angst,“ sagte er im Interview mit dem Handelsblatt. 

Es ist also wichtig, dass wir die Angst in den Griff bekommen, um weitsichtig zu agieren. Denn die Folgeschäden umfassender Shutdowns werden sonst die Schäden einer Viruserkrankung weit übertreffen. Schon jetzt verlieren reihenweise Freunde von uns aus Gastronomie und Hotelerie ihre Jobs. Andere Freunde, die bei Lufthansa arbeiten, sind auf Kurzarbeit – der Kredit fürs Eigenheim läuft aber weiter. Eine Bekannte kann im April schon nicht mehr ihre Miete bezahlen – der Vermieter deshalb seinen Kredit nicht mehr. Hotels sollen jetzt Frauen und Kindern Unterschlupf gewähren – alleine in Berlin stieg die häusliche Gewalt schon in der ersten Woche des Shutdowns um elf Prozent.

Risikogruppen schützen?

Schüre ich jetzt auch gerade Angst? Nein, das ist nicht meine Absicht. Ich möchte aber aufrütteln, sich nicht von einem Virus kirre machen zu lassen, sondern weitsichtig und besonnen mit der Situation umzugehen. Es gilt Risikogruppen, also Senioren und Menschen mit Vorerkrankungen, zu schützen. Was aber, wenn diese sich gar nicht schützen lassen wollen? In den letzten Tagen sind Hilfsangebote aus dem Boden geschossen, um beispielsweise älteren Mitbürgern das Einkaufen abzunehmen. Lokal wurden die Haushalte mit Flugblättern darüber informiert. Werden diese Angebote angenommen? Nein! Auch meine Kinder boten sich an, für die örtlichen Apotheken Medikamente auszufahren, für Nachbarn einkaufen zu gehen, oder bei den örtlichen Supermärkten Regale aufzufüllen oder Waren auszufahren. Wie oft waren sie im Einsatz? Nicht einmal!

Was nun?

Ich appelliere an die Regierungen nicht dem alten Credo „Wer A sagt, muss auch B sagen“ zu verfallen. Wir sind hier überzeugt, dass eine umfassende Isolation der Königsweg ist – aber das darf nicht zu Strafen führen für Menschen, die auf einer Parkbank sitzen oder – fast noch schlimmer – dass Nachbarn die Polizei rufen, weil Kinder gemeinsam im Garten spielen.

Was können WIR jetzt tun? Sorgt gut für Euch, schaut dass Ihr gesund bleibt, Euer Immunsystem stärkt und lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Folgeschäden so gering wie möglich bleiben! Was kannst Du heute bereits tun, damit es Dir weiterhin gut geht? Lasst Euch von Angst und Panikmache nicht anstecken, sondern agiert erwachsen und reflektiert. Macht Euch die kommenden Tage so angenehm wie möglich, schafft „sorgenfreie“ Zeiten oder Räume und tut Eurem Körper und Geist Gutes. Nutzt die virtuellen Angebote von Museen, Opern und Künstlern oder – warum nicht ? – räumt den Keller auf. 🙂

Bleibt gelassen und pro-aktiv!

 

 

Teile gerne diesen Artikel in Deinen sozialen Medien