René Borbonus ist in seinem Element, wenn es um Kommunikation geht. Alles will er dazu wissen und nimmt sogar Kontakt mit Albert Mehrabian auf, um zu klären, wie das jetzt eigentlich ist, mit den so häufig zitierten Prozenten der 55-38-7-REGEL (Körpersprache – Stimme- Inhalt). Wir lernten uns bei der GSA-Uni in München kennen und redeten über sein neues Buch „Respekt!“. Die spannende Frage: Wie können wir Kommunikation nutzen, um Respekt zu zeigen und zu erhalten?

René, ein Kollege kommt kurz vor Feierabend in mein Büro und klatscht mir einen Haufen Arbeit auf den Schreibtisch: „Ich würd’s ja so gern noch machen, aber ich schaff’s leider nicht mehr… wichtige Verabredung… Wärst du so nett?“ Leider ist das kein Einzelfall sondern Dauerzustand. Wie können wir auf so ein unkollegiales Verhalten reagieren und uns trotzdem respektvoll verhalten?

René Borbonus: Was ich in solch einem Fall schon einmal grundsätzlich empfehlen möchte: Sprich das an und warte nicht zu lange mit der Ansprache. Diese “Kleinigkeiten” sprechen wir nämlich oft nicht oder viel zu spät an. Wenn wir total angefressen sind, platzt es dann aus uns heraus. Meist in einer Art und Weise, die es dem anderen unmöglich macht, die Kritik anzunehmen. Und darüber hinaus kann man solche Dinge ja auch ansprechen, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen. Das gelingt aus meiner Sicht sehr gut, wenn wir nicht nur sagen, dass uns das ärgert oder irritiert, sondern auch noch, warum uns das ärgert. Etwa so: „Gestern hast Du mir die Unterlagen XY kurz nach Feierabend gebracht und mich gebeten, mich darum zu kümmern. Das ärgert mich, weil ich das nicht fair finde. Daher bitte ich Dich: Erledige diese Dinge zukünftig doch bitte selbst.“

Also zuerst der Vorfall, dann die Begründung, warum uns das ärgert und zum Schluss unsere Bitte. Klingt vielversprechend! Allerdings fällt es Kreativen Chaoten oft furchtbar schwer, ein „Hilfegesuch“ auszuschlagen und einfach mal „Nein“ zu sagen.

Der größte Fehler, den wir bein “Nein sagen” machen, ist, dass wir das Nein begründen. In vielen Fällen müssen wir das aber gar nicht. Und in diesen Fällen würde ich die Begründung dann auch einfach weglassen. Sonst stürzt sich mein Gesprächspartner auf den Grund und nicht auf das “Nein”. Das finden wir wiederum respektlos und fragen uns, warum er unser “Nein” nicht respektiert? Vielleicht einfach weil wir nicht ‘richtig’ Nein gesagt haben. In unserem Fall zum Beispiel könntest Du so Nein sagen: “Das geht leider nicht, weil ich mich mit dem Fall gar nicht so gut auskenne”. Jetzt kann es passieren, dass sich Dein Kollege auf den Grund stürzt und das Nein gar nicht mehr hört. Er könnte sagen: “Ach Cordula, Du machst das schon. Der Fall ist ganz ähnlich zum Fall YZ”. Besser Du probierst es einmal ohne Begründung. Ich empfehle folgende Alternative: Etwas Freundliches – Nein (ohne Begründung) – Alternativimpuls. In Deinem Fall könnte sich das dann so anhören: “Es ehrt mich, dass Du mit so einem wichtigen Fall zu mir kommst. Leider kann ich mich darum nicht kümmern. Erledige das doch einfach morgen (oder was immer hier passend ist).”

„Rhetorik ist kein Allheilmittel.“ (René Borbonus)

Was können wir tun, wenn eine Situation aus dem Ruder zu laufen scheint – zum Beispiel ein Konflikt mit dem Chef, der sich zu einem handfesten Streit ausbaut?

“Handfester Streit” klingt ja schon sehr ernst. Weißt Du, Rhetorik ist kein Allheilmittel. Rhetorik ist keine Macht über andere. Sie macht immer nur das möglich, was von vorneherein möglich war. Wenn ein Streit also wirklich eskaliert und immer schlimmer wird, dann kann es auch mal nötig sein, einen Dritten (einen Mediator) zu bitten, diesen Streit zu lösen. Manchmal liegt es nicht mehr in unserer Hand.

Vor manchen Menschen empfinden wir automatisch Respekt. Woher kommt das?

Von der Hamburger Respect-Researchgroup habe ich eine schöne Definition von Respekt kennen gelernt. Nils von Quaquebeke hat mir in einem Interview von der Unterscheidung zwischen vertikalem und horizontalem Respekt erzählt. Vertikaler Respekt bezeichnet den Respekt von einer bestimmten Leistung. Zum Beispiel die Arbeit des Bundestrainers oder den Rücktritt von Margot Käßmann. Oftmals sind das Dinge, die wir uns selbst vielleicht nicht zutrauen oder die wir aus anderen Gründen toll und erstrebenswert finden. Daher kommt vielleicht auch der Spruch “Respekt muss man sich verdienen”. Die andere Form ist der horizontale Respekt. Ihn muss man sich nicht verdienen. Er sollte jedem Menschen zu teil werden. Er erkennt an, dass jeder Mensch grundsätzlich gleichwertig ist.

Es fällt uns nicht immer leicht, uns im Alltag respektvoll zu verhalten. Termine, Aufgaben und Stress machen uns häufig unachtsam und gereizt. Können wir trainieren, anderen Menschen gegenüber respektvoller zu sein?

Wenn ich mir selbst gegenüber unachtsam bin, dann werde ich das sicherlich auch meiner Umgebung gegenüber sein. Und das wird sich wohl auch nie abstellen lassen. Hier hilft nur eines: Fokus! Mir hilft es manchmal, mir die wortwörtliche Übersetzung von Respekt klarzumachen. Respekt kommt vom lateinischen Wort “respicere” und heißt wörtlich übersetzt: “Den anderen sehen, zurückblicken”. Hier zeigt uns Sprache einmal mehr den Weg. Dazu brauche ich Zeit und Fokus. Gestern habe ich in Berlin einen Chinesen getroffen, dessen Geschichte ich ab dem nächsten Jahr auf der Bühne erzählen werde. Er erzählt mir, dass die Chinesen sich gern Langsamkeit wünschen. Sie sagen also nicht “Guten Appetit!” vor dem Essen, sondern “Iss langsam”. Oder “Gehe langsam”, “Reise langsam” usw. Ich finde das wunderbar. Ohne Achtsamkeit, ohne hin und wieder ein bisschen Langsamkeit wird es sehr schwer mit “den anderen sehen”. Wir sehen dann ja nicht einmal uns selbst.

„Respekt gewinn man, indem man ihn selbst lebt.“ (René Borbonus)

Viele Kreative Chaoten sind „Stehauf-Männchen“ und lassen sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Häufig sehen sie alles von der positiven Seite. Wie können wir diese Eigenschaft nutzen, um Respekt zu gewinnen?

Respekt gewinnt man, indem man ihn selbst lebt und in die Welt bringt. Dazu ist ein gesunder Optimismus und eine Lösungsorientierung schon einmal eine gute Voraussetzung. Dann lassen wir uns vielleicht nicht gleich reizen und zahlen Respektlosigkeiten mit weiteren Respektlosigkeiten zurück. Mir geht die Lösungsorientierung manchmal ziemlich auf den Keks. Aber mal ehrlich – was ist die Alternative?

Wenn wir Forderungen stellen oder Verhandlungen führen, ist gegenseitiger Respekt für den Erfolg extrem wichtig. Mit welcher Strategie kommen wir zum Beispiel bei einer Gehaltsverhandlung an unser Ziel, ohne dass sich der andere auf den Schlips getreten fühlt?

Am besten sorgst Du dafür, dass der andere auch mit einem Bärenfell nach Hause geht. Eine Verhandlung ist ja oftmals nicht viel mehr als Psychologie. Jeder will sich gut schlagen. Wenn Du Dich in einem Punkt durchsetzt – denkst Du daran, dass der andere dann auch etwas bekommt? In Gehaltsverhandlungen habe ich auch oftmals das Gefühl, dass sich die Führungskraft sehr viele Gedanken darum macht, dass andere ja jetzt auch kommen könnten. Vielleicht hilfst Du der Führungskraft am besten damit, dass Du Dir hier schon ein paar Argumente vorbereitest. Also Argument, die Deine Führungskraft selbst verwenden kann, um die Ausnahme zu erklären…

René Borbonus, vielen Dank für das Gespräch.

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